Soul Food

Mehr als nur Nahrung, ein Erbe.

Die Wurzeln in der Südstaatenküche

Mahalia Jackson wuchs in ärmlichen Verhältnissen in New Orleans auf und musste schon früh hart arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Doch inmitten der Entbehrungen war ihre Tante Duke eine strenge, aber hingebungsvolle Lehrerin in der Kunst des Kochens und der Haushaltsführung. Auf einem Holzofen lernte Mahalia, einfache, nahrhafte Mahlzeiten zuzubereiten, die oft aus roten Bohnen mit gesalzenem Schweinefleisch oder grünen Bohnen mit Schweineschwänzen bestanden. Maisbrot und Kekse gehörten zu den Grundnahrungsmitteln, wobei Maisbrot häufig gekochtes Gemüse oder Bohnen begleitete.

Schweinefleisch war ein zentraler Bestandteil der südstaatlichen afroamerikanischen Küche seit der Sklaverei. Tante Duke lehrte Mahalia auch die aufwendige Zubereitung von Schweinedärmen (Chitlins) – eine Aufgabe, die Mahalia am wenigsten mochte – und die Herstellung von Schweinskopfkäse (Sousse).

Gelegentlich sorgte Onkel Emanuel für ungewöhnliche Speisen:
Baby-Alligatoren, von den Kindern im Sumpf gefangen, wurden zum Frühstück zubereitet, wobei der Schwanz wie Hühnchen gebraten wurde. Die Familie hatte jedoch nie Hunger, da ein Großteil der Lebensmittel aus ihrem großen Garten stammte, in dem sie grüne Bohnen, rote Bohnen, Erbsen, Tomaten, Kürbisse, Mais, Okra und Senf anbaute.

Die Tradition der „Pfanne“ – das Teilen von Essensresten am Sonntag und an Feiertagen mit Bediensteten und Bedürftigen – war für Mahalia eine prägende Erfahrung und eine Quelle tiefer Zufriedenheit. Es war oft der Unterschied zwischen einer sättigenden Mahlzeit und knurrendem Magen. Während sie sang und hart arbeitete, wurde Mahalia von den Klängen New Orleans’ geprägt, den „bon temps“ (guten Zeiten) und den „bonne nouvelles“ (guten Nachrichten) des Gospels, die sich unweigerlich in ihrer Musik vermischten. Sie sparte jeden Penny, um Schallplatten von Sängern wie Grace Moore und Lawrence Tibbett zu kaufen, von denen sie Diktion und Atemtechniken lernte – Lektionen, die sie später als die Grundlagen ihrer „Seelenküche“ (Soul Cookery) bezeichnete.

Die Kunst der Gastfreundschaft

Mahalia Jackson war nicht nur eine begnadete Sängerin, sondern auch eine hervorragende Köchin und liebte es, Gäste in ihrem Zuhause willkommen zu heißen. Ihre Küche war oft das pulsierende Herz ihres Hauses, ein Ort des Kochens, Servierens und lebhaften Plauderns. Sie kochte traditionelle Südstaatenküche, darunter gebratenes Hühnchen, Kutteln, Grünkohl, Schweinsfüße und Maisbrot. Ihre Abneigung gegenüber Hotelmenüs, die diese Gerichte nicht anboten, sprach Bände über ihre kulinarische Überzeugung.

Erstaunlicherweise konnte sie auf einem kleinen, tragbaren Zweiflammenherd eine beeindruckende Vielfalt an Mahlzeiten zubereiten. Ihre Küche war ein Hort der Sauberkeit, und Mahalia war hierin äußerst akribisch. Sie war bekannt dafür, Menschen satt zu machen, und Gospelmusiker fanden in ihrem Zuhause stets eine offene Tür und einen gedeckten Tisch, um „Essen und Singen“ zu verbinden. Mahalia glaubte fest daran, dass Essen ein Gefühl von Harmonie erzeugt und ein „warmes, menschliches, freudiges Gefühl“ sei.

Eine humorvolle Anekdote erzählt, wie sie einmal ihren eigenen Teller mit Essen in ihr Zimmer brachte und sagte: „Nein, Baby, das ist für Mahalia. Ich habe es so satt, dass diese Leute mein ganzes Essen aufessen und ich keine Gelegenheit habe, meine eigene Küche zu probieren, dass ich heute etwas essen werde.“ Bei einer anderen Gelegenheit verschlang sie ein ganzes Glas Gewürzgurken mit Pfefferminz. Zu ihren Spezialitäten gehörte auch Shrimps auf kreolische Art, und ihr New-Orleans-Gumbo war so begehrt, dass es oft für Spendenaktionen angeboten wurde.

Von der Musik zur Gastronomie

Neben ihrem Schönheitssalon und Blumenladen, die sie mit ihrem ersten Ehemann Ike Hockenhull führte, dessen Mutter Kosmetikrezepte hatte, wagte sich Mahalia später in die Lebensmittelbranche. In den späten 1960er und frühen 1970er Jahren gründete sie die Fast-Food-Franchise „Mahalia Jackson’s Chicken System“. Dieses Unternehmen war mehr als nur eine Geschäftsinitiative; es war ein soziales Projekt, das afroamerikanischen Gemeinschaften Wirtschafts- und Beschäftigungsmöglichkeiten bieten sollte. Alle Franchises sollten in schwarzem Besitz sein und von Schwarzen geführt werden. Das System bot den Mitarbeitern bezahlten Urlaub, kostengünstige Lebensversicherungen und umfassende medizinische Leistungen – Leistungen, die damals in der Fast-Food-Branche selten waren.

Die Speisekarte umfasste paniertes Brathähnchen, Wels, Hush Puppies, gebratene Leber, Süßkartoffelkuchen und die „Soul Bowl“ – Innereien in Bratensauce über Reis. Die Rezepte wurden in ihren eigenen Testküchen entwickelt und von einem angestellten Chemiker für die Massenproduktion formuliert. Mahalias Gesicht zierte die Hähncheneimer, und das Huhn wurde als „zungenleckend gut“ beworben. Die Läden selbst waren so gestaltet, dass sie an „hochgestylte, moderne Kirchen“ erinnerten und eine einladende Atmosphäre schaffen sollten. Sie plante auch die Eröffnung von „Mahalia Jackson’s Parlors“, die preisgünstig sein und eine von New Orleans inspirierte Speisekarte mit Gumbo, Shrimps und roten Bohnen mit Reis anbieten sollten.

Im Jahr 1970 veröffentlichte sie das Kochbuch „Mahalia Jackson Cooks Soul“, das sie zusammen mit Andrewnetta Jones verfasste. Das Buch enthielt Lieblingsrezepte von ihr und ihren Freunden und betonte Mut, Eifer und Tatkraft als Grundlagen der „Soul Cookery“.

Die Philosophie des Essens

uf ihren Tourneen stieß Mahalia Jackson immer wieder auf Rassismus, der es ihr schwer machte, geeignete Orte zum Essen und Übernachten zu finden, da schwarze Menschen oft abgewiesen wurden. Sie lehnte es strikt ab, in Lokalen aufzutreten oder zu essen, die Alkohol ausschenkten – eine weitere Facette ihrer tiefen moralischen Überzeugungen.

Trotz ihres immensen Erfolgs musste Mahalia aufgrund ihrer Gesundheit auf ihre Essgewohnheiten achten und wurde ermahnt, Gewicht zu verlieren. Dennoch blieb sie ihren Wurzeln treu. Mahalia betonte, dass sie ihren Gesangsstil als natürlich empfand, vergleichbar mit dem Essen von roten Bohnen und Reis, was für sie untrennbar mit ihrer New-Orleans-Identität verbunden war. Sie glaubte fest daran, dass die Bereitstellung von Nahrung (Soul Food) sogar der Evangelisation vorausgehen sollte – ein Ausdruck ihrer Überzeugung, dass körperliches Wohlbefinden und Mitgefühl die Grundlage für spirituelle Offenheit sind.

Mahalia Jacksons Leben war ein Zeugnis dafür, wie tief Essen und Kultur miteinander verwoben sein können. Ihre Geschichte ist eine Erinnerung daran, dass Nahrung nicht nur den Körper nährt, sondern auch die Seele, und dass die Kunst des Kochens und Teilens von Mahlzeiten eine der tiefsten Formen menschlicher Verbundenheit sein kann.

„Cooks Soul“ Mahalias Kochbuch von 1970

Im Jahr 1970, nur zwei Jahre vor ihrem Tod, veröffentlichte die legendäre Gospel-Sängerin Mahalia Jackson in Zusammenarbeit mit Andrewnetta Jones ihr Kochbuch "Mahalia Jackson Cooks Soul" bei Aurora Publishers. Doch dieses Buch war weit mehr als nur eine Sammlung von Rezepten; es war ein Spiegelbild ihrer Geschäftsphilosophie, ihrer Philanthropie und ihres tiefen Engagements für die schwarze Gemeinschaft.Ein kulinarisches Erbe mit PrinzipienMahalia Jacksons Kochbuch reihte sich nahtlos in ihre bereits bestehenden unternehmerischen Aktivitäten ein, die von Schönheitssalons über Blumengeschäfte bis hin zu Immobilieninvestitionen reichten. Es verkörperte ihre feste Überzeugung, dass die Versorgung mit Lebensmitteln eine grundlegende Notwendigkeit sei, die sogar der Evangelisierung vorausgehen sollte. Das Buch stand in enger Verbindung mit Maulana Karengas Kwanzaa-Feiertag und dessen grundlegenden afrikanischen Kulturprinzipien wie Einheit, Selbstbestimmung und kollektiver Verantwortung.

Es war ein Ausdruck von Mut, Eifer und Tatkraft mit dem übergeordneten Ziel, die wirtschaftliche Eigenständigkeit und gegenseitige Hilfe innerhalb der schwarzen Gemeinschaft zu fördern.Rezepte aus der "Soul Bowl" und darüber hinausEin Highlight des Buches ist zweifellos die "Soul Bowl", ein herzhaftes Gericht aus Innereien und Bratensoße auf Reis. Weitere Hauptbestandteile ihrer Speisekarte waren paniertes Hähnchen (bekannt für seinen salzigen und knusprigen Geschmack, der Kentucky Fried Chicken in den Schatten stellen sollte), Wels, Hush Puppies, gebratene Leber und klassische Desserts wie Süßkartoffelkuchen.

Obwohl Mahalia Jackson selbst aus New Orleans stammte, finden sich in ihrem Kochbuch überraschenderweise nur wenige kreolische Gerichte. Ihr persönliches Lieblingsgericht, Austernbrot, wurde beispielsweise durch ein Rezept für Austerneintopf ersetzt. Das Buch ist voll von praktischen Tipps zum Zeit- und Geldsparen und konzentriert sich darauf, "viele Münder mit wenig Essen zu füllen" und einfache Speisen durch geschickte Gewürzkombinationen schmackhaft zu machen. Die Rezeptsammlung ist dabei erstaunlich vielseitig: Sie reicht von traditionellen Soul-Food-Gerichten wie Kutteln, Nackenknochen und Hirn bis hin zu unerwarteten Kreationen wie "Oven Beef Burgundy" und "Tuna Burgers“.

Das Buch ist zudem mit stimmungsvollen Fotos von Mahalia am Herd verziert, die dem Buch eine persönliche Note verleihen. Ein bleibendes Vermächtnis. Obwohl unklar ist, wie viele der Rezepte tatsächlich direkt von Mahalia Jackson stammten oder aus verschiedenen Quellen zusammengestellt wurden, bleibt "Mahalia Jackson Cooks Soul" ein faszinierendes Dokument ihrer Zeit und ihrer Vision. Die originalen Bücher sind selten. Um ein Exemplar zu bekommen, muss man bis zu einigen hundert Dollar investieren.

©Thilo Plaesser