Newport Festival

"First Annual American Jazz Festival"

Das Newport Jazz Festival ist nicht nur ein Musikfestival, es ist eine Institution. Als eines der ältesten und renommiertesten Jazzfestivals der Welt hat es eine Geschichte, die ebenso reich an musikalischen Triumphen wie an Herausforderungen und Transformationen ist. Es ist ein lebendiges Zeugnis der Entwicklung des Jazz und seiner unvergleichlichen Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden.

Die Geburtsstunde einer Vision 1954

“Heute Abend schreiben wir Geschichte“

Die Idee für das "First Annual American Jazz Festival" – wie es ursprünglich beworben wurde – entstand in den Köpfen des Unternehmerehepaars Elaine und Louis Lorillard. Sie fanden im Bostoner Jazzklub-Betreiber George Wein den idealen Partner, um ihre Vision in die Realität umzusetzen. Am 17. und 18. Juli 1954 öffnete das Festival seine Pforten in Newport, Rhode Island.

Die Eröffnung wurde vom Pianisten Stan Kenton mit den denkwürdigen Worten "Heute Abend schreiben wir Geschichte" eingeleitet. Den musikalischen Auftakt bestritt Eddie Condon mit seiner Band. Die Liste der Künstler der ersten Ausgabe las sich wie ein Who's Who des Jazz: Dizzy Gillespie, Oscar Peterson und Billie Holiday waren nur einige der klingenden Namen. Trotz anfänglicher Skepsis und sogar rassistischer Ressentiments in der eher konservativen Stadt Newport, wo Jazz noch nicht die breite Akzeptanz gefunden hatte, war das Festival ein durchschlagender Erfolg. 13.000 Zuschauer strömten zur Premiere, und die nationale Presse berichtete ausführlich über das Ereignis, das den Grundstein für eine musikalische Legende legte.

Wachstum, Glanz, Meilensteine

1950er und 1960er Jahre

Das Newport Jazz Festival etablierte sich rasant als feste Größe in der Jazzwelt und zog in den Folgejahren eine beeindruckende Riege von Künstlern an:

Duke Ellington 1956
Sein Auftritt gilt als Wiederbelebung seiner Karriere und festigte seinen Status als Ikone.

Miles Davis 1955, 1958
Sein Solo auf "Round Midnight" im Jahr 1955 war ein enormer Erfolg und trug maßgeblich zu seinem wachsenden Ruhm bei. Auch sein Auftritt 1958 bleibt legendär.

Louis Armstrong 1957
Seine Interpretation von "Mack The Knife" ist unvergessen und zeigte einmal mehr die zeitlose Brillanz des "Satchmo".

Größen wie John Coltrane, Cannonball Adderley und Dave Brubeck prägten ebenfalls die frühen Jahre des Festivals und schufen unvergessliche Momente der Jazzgeschichte.

Ein besonderes Highlight dieser Ära war die Entstehung des beeindruckenden Konzertfilms "Jazz an einem Sommerabend" (Jazz on a Summer's Day). Dieser wurde 1958 über das Festival gedreht und zeigte Stars wie Mahalia Jackson, Louis Armstrong und Thelonious Monk.

Herausforderungen - Umzug

1960er und 1970er Jahre
Trotz seines immensen künstlerischen Erfolgs sah sich das Festival immer wieder mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert.

Ausschreitungen und Riots
Insbesondere im Jahr 1960 kam es zu schwerwiegenden Unruhen und Krawallen durch randalierende Besucher. Diese Zwischenfälle führten dazu, dass das Festival 1961 ausgesetzt werden musste.

Verlegung nach New York
Aufgrund der wiederholten Probleme mit dem Publikumsverhalten und der unzureichenden Infrastruktur in Newport wurde das Festival 1972 nach New York City verlegt. Dort fand es unter verschiedenen Namen statt, darunter "Kool Jazz Festival" und "JVC Jazz Festival". In dieser Zeit erweiterte es sein musikalisches Spektrum teilweise auch auf andere Genres, was bei Puristen nicht immer auf Gegenliebe stieß.

Rückkehr und Bedeutung

Die 1980er Jahre
Nach neun Jahren in der Metropole kehrte das Newport Jazz Festival 1981 an seinen angestammten Ort in Newport, Rhode Island, zurück. Es konnte seine reiche Tradition wieder aufnehmen und etablierte sich erneut als eine wichtige Plattform für etablierte Jazzgrößen und aufstrebende Talente.

Wichtige Entwicklungen und Jubiläen

2004
Das 50. Jubiläum wurde mit einer landesweiten Tour und einer speziellen CD-Edition der Festival-Höhepunkte gefeiert, die die langjährige Geschichte und den Einfluss des Festivals würdigte.

2016
George Wein, der das Festival von Anfang an organisiert und über Jahrzehnte geprägt hatte, übergab die künstlerische Leitung an den renommierten Bassisten Christian McBride. McBride setzt seitdem eine behutsame Modernisierung des Festivals um, ohne dabei seine Wurzeln zu vernachlässigen. Heute findet das Newport Jazz Festival weiterhin jährlich im Sommer in Newport, Rhode Island, statt. Es ist ein Symbol für die Beständigkeit und die kontinuierliche Entwicklung des Jazz und zieht nach wie vor Zehntausende von Besuchern an. Sie kommen, um die einzigartige Atmosphäre und die Auftritte der weltbesten Jazzmusiker zu erleben.

Das Festival ist ein lebendiges Zeugnis der Geschichte des Jazz und ein wichtiger Motor für seine Zukunft.

Mahalia Jackson - Newport Festival

Die Anfänge in Newport 1957 - Eine Einführung in den Gospel

Mahalia Jacksons Debüt beim Newport Jazz Festival im Juli 1957 war bahnbrechend. Als Teil eines Sonntagnachmittagsprogramms, das ausschließlich der Gospelmusik gewidmet war, sollte sie das Genre einem neuen, vorwiegend weißen und nicht-kirchlichen Publikum vorstellen. Die Festivalorganisatoren, darunter die einflussreichen John Hammond und Joe Bostic, waren maßgeblich an der Gestaltung dieses „Einführung in den Gospel“-Programms beteiligt.

Anfangs hegte Mahalia Jackson Bedenken bezüglich der Verbindung mit einem Jazz-Festival. Ihre Vorbehalte zerstreuten sich jedoch, als sie zusätzlich zu einem Sonntagsgottesdienst in der Trinity Episcopal Church in Newport eingeladen wurde – eine Bedingung, die sie für ihren Auftritt beim Festival gestellt hatte. Pfarrer Lockett Ford Ballard der Trinity Episcopal Church hieß sie herzlich willkommen. Das Gospelprogramm umfasste neben Mahalia Jackson auch die Drinkard Singers und die Clara Ward Singers, wobei letztere sich nervös zeigten, vor einem fremden Publikum aufzutreten. Jackson hingegen trat lediglich mit ihrer eigenen Klavier- und Orgelbegleitung auf und begeisterte die Kritiker, die ihren Auftritt als den Höhepunkt des Festivals feierten.

Triumph im Regen 1958 - Die Queen und der Duke
Im Jahr 1958 kehrte Mahalia Jackson nach Newport zurück und hinterließ einen noch nachhaltigeren Eindruck. Am Donnerstagabend trat sie mit dem Duke Ellington Orchestra auf, um „Come Sunday“ aus Ellingtons Suite Black, Brown, and Beige zu interpretieren. Die Queen bestand darauf, dass sich Duke ihrem Tempo und Rhythmus anpasste – ein Zeugnis ihrer künstlerischen Integrität.

Ihren eigenen Auftritt präsentierte sie am Samstag um Mitternacht, der technisch bereits der Sonntagmorgen war. Sie sang im strömenden Regen und forderte das Publikum auf, auszuharren, da sie sich gerade erst „aufgewärmt“ habe. Als sie „Didn’t It Rain“ sang und dazu in die Hände klatschte, tobte das Publikum. Einige behaupteten sogar, der Regen habe aufgehört, als sie dieses Lied intonierte. Den Höhepunkt bildete „The Lord’s Prayer“. Ihre intensive Interpretation ließ die Menge sprachlos zurück. Whitney Balliett zeigte sich besonders beeindruckt von dieser Darbietung. Tausende von Jazzfans spendeten ihr stehende Ovationen. Kritiker wie Raymond Horricks lobten ihre emotionale Darbietung und zogen Parallelen zu Bessie Smith hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Gospelsong.

Ein Kritiker brachte es auf den Punkt:
„Mahalia Jackson glaubt nicht, dass Gott existiert. Sie weiß es!“

Am Sonntagmorgen sang sie erneut in der “Mount Zion AME Church“, einer wichtigen afroamerikanischen Kirche in Newport, die oft schwarzen Künstlern Obdach bot, da sie in lokalen Hotels nicht immer willkommen waren. Ralph Ellison hob in seinem Artikel „As the Spirit Moves Mahalia“ (1958) den Kontrast zwischen ihren Festival- und Kirchenauftritten hervor, wobei letzterer als der bewegendere beschrieben wurde.

Später äußerte Mahalia Jackson, sie habe nicht gewusst, dass es sich um ein Jazz-Festival handelte, und habe es mit dem “Chicago Musicland Festival“ verwechselt. Sie sei auch überrascht gewesen, mit Duke Ellington zu singen. Sie bemerkte, dass viele im Publikum „halb betrunken“ waren und fühlte sich von den Kritiken verletzt. Besonders besorgt zeigte sie sich über den Drogenkonsum unter den jungen Leuten im Publikum. Teile ihres Newport-Konzerts wurden im Film Jazz on a Summer's Day (1959) festgehalten.

Spätere Auftritte und bleibendes Vermächtnis: 1960er und 1970er Jahre
In den 1960er Jahren setzte Mahalia Jackson ihre Präsenz beim Newport Jazz Festival fort. Anlässlich des 70. Geburtstags von Louis Armstrong sang sie „The Lord’s Prayer“. Sie traten auch im Duett auf, darunter bei Liedern wie „Just a Closer Walk With Thee“ und „Precious Lord, Walk With Me“. Im Jahr 1970 trat sie erneut auf und verblüffte Jazzkritiker, indem sie „When the Saints Go Marching In“ schreiend sang und zu „Just a Closer Walk with Thee“ tanzte. Trotz der Bedenken über den säkularen Rahmen genoss sie die Auftritte anderer Künstler wie Hugh Masekela und Nina Simone und betonte, dass sie alle Arten von Musik schätzte.

Wahrnehmung und unverkennbarer Stil
Mahalia Jacksons Auftritte in Newport demonstrierten ihre einzigartige Fähigkeit, säkulare Veranstaltungsorte in Orte der Anbetung zu verwandeln und eine christliche Botschaft an Nichtgläubige zu vermitteln. Ihre Darbietungen waren stets von immenser Energie und Ausdruck geprägt, oft begleitet von kräftigem Händeklatschen und körperlicher Bewegung, die tief in ihren New Orleans-Wurzeln verankert waren. Sie war bekannt für ihre „tiefe Aufrichtigkeit“, die ihre dramatische Intensität davor bewahrte, theatralisch zu wirken. Stattdessen bestand sie darauf, ihre Erfahrungen direkt mit dem Publikum zu teilen.

Ihre Zeit beim Newport Jazz Festival bleibt ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte der Gospelmusik und ein leuchtendes Beispiel dafür, wie eine Künstlerin mit unerschütterlichem Glauben und außergewöhnlichem Talent Brücken zwischen scheinbar unterschiedlichen Welten bauen konnte. Ihre Auftritte waren nicht nur Konzerte, sondern spirituelle Erlebnisse, die die Herzen und Seelen der Zuhörer berührten und die Kraft der Gospelmusik in ihrer reinsten Form offenbarten.

© RBM Vintage Images/Alamy. Newport Festival 1958

"Jazz an einem Sommerabend"

Ein filmisches Denkmal

"Jazz an einem Sommerabend" (Originaltitel: Jazz on a Summer's Day) ist nicht nur ein Konzertfilm; er ist ein epochales Werk, das das Newport Jazz Festival von 1958 dokumentiert und als einer der wichtigsten, wenn nicht sogar ersten Konzertfilme überhaupt gilt. Er hat Generationen von Filmemachern und Musikliebhabern nachhaltig beeinflusst.

Regie, Produktion und visionärer Inhalt
Der Film wurde hauptsächlich von dem renommierten Werbe-, Mode- und Pressefotografen Bert Stern inszeniert. Aram Avakian war als Co-Regisseur und Editor maßgeblich am Schnitt beteiligt. Die musikalische Leitung lag in den Händen des legendären Jazzproduzenten George Avakian von Columbia Records. Der Film fängt nicht nur die atemberaubenden musikalischen Darbietungen ein, sondern verwebt diese geschickt mit poetischen Impressionen des Festivals, der Stadt Newport und des umgebenden Wassers, da zeitgleich die “America's Cup Yachtrennen“ 1958 stattfanden. Sterns geschultes fotografisches Auge ist in jeder Einstellung erkennbar. Der Film bietet Nahaufnahmen und intime Einblicke in die Auftritte der Künstler, oft in einer entspannten, informellen Atmosphäre festgehalten.

Atmosphäre
Es wird nicht nur die Musik, sondern auch die einzigartige Stimmung des Festivals eingefangen – tanzende Paare, begeisterte Zuschauer, Boote auf dem Wasser, alles getaucht in das goldene Licht eines Sommertags. Der Film wechselt organisch von Tag zu Nacht und von improvisatorischer Jazzmusik zu emotionalem Gospel.

Der Film kommt weitgehend ohne Dialoge oder eine erklärende Erzählung aus (abgesehen von gelegentlichen Ansagen des Moderators Willis Conover), wodurch die Musik und die visuellen Eindrücke für sich sprechen. Bemerkenswert ist die Darstellung eines gemischtrassigen Publikums, das gemeinsam die Musik genießt – eine wichtige und fortschrittliche Darstellung für die damalige Zeit, die noch von Rassentrennung in den USA geprägt war.


Musikalische Höhepunkte und unvergessliche Performances
"Jazz an einem Sommerabend" präsentiert eine beeindruckende Riege von Jazz-Legenden:

Louis Armstrong mit Jack Teagarden
Unvergessen sind ihre Interpretationen von "Tiger Rag", "Up a Lazy River", "Rockin' Chair" und "When the Saints Go Marching In".

Thelonious Monk
Seine Auftritte, darunter "Blue Monk", zeugen von seiner einzigartigen musikalischen Genialität.

Mahalia Jackson
Ihr mitternächtlicher Auftritt am Sonntag, der den Film abschließt, ist der emotionale Höhepunkt, insbesondere mit ihrer ergreifenden Darbietung von "The Lord's Prayer".

Anita O'Day
hre Darbietungen von "Sweet Georgia Brown" und "Tea for Two" mit Max Roach sind ikonisch für ihren unverwechselbaren Stil.

Dinah Washington
Mit "All of Me" beweist sie ihre stimmliche Präsenz.

Das Gerry Mulligan Quartett, Chuck Berry (als einziger Rock-'n'-Roll-Künstler im Line-up mit "Sweet Little Sixteen"), das Chico Hamilton Quintet mit Eric Dolphy, das Jimmy Giuffre Trio, Sonny Stitt und Sal Salvador, das George Shearing Quintett, Big Maybelle Smith und viele weitere Künstler runden das spektakuläre Line-up ab.

©Thilo Plaesser