Carnegie Hall

New York

Renommierter Konzertsaal

© Smith Archiv/Alamy

Gründung und Anfangsjahre

Die Idee für die Carnegie Hall entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Der schottisch-amerikanische Industrielle und Philanthrop Andrew Carnegie finanzierte den Bau, nachdem ihn Walter Damrosch, Direktor der New York Philharmonic, davon überzeugt hatte, dass sein Orchester einen festen Sitz brauchte. Der Bau begann 1889, und das von William Burnet Tuthill im Stil der italienischen Renaissance entworfene Gebäude wurde am 5. Mai 1891 offiziell eröffnet. Ursprünglich hieß es „Music Hall”. Bei der Eröffnung dirigierte der berühmte russische Komponist Pjotr Iljitsch Tschaikowski persönlich seine Werke, was ein weltweites Ereignis war. Die Carnegie Hall war eines der ersten Gebäude mit elektrischer Beleuchtung und verfügte sogar über eine Art Klimaanlage, bei der vor den Aufführungen Eis unter die Bühne gegossen wurde. Das Gebäude wurde jedoch erst 1897 endgültig fertiggestellt.

Architektur und Akustik

Die Carnegie Hall zeichnet sich durch ihre beeindruckende Architektur im Stil der Neorenaissance aus. Sie beherbergt drei Hauptveranstaltungsorte: das Stern Auditorium/Perelman Stage (den Hauptsaal), die Zankel Hall und die Weill Recital Hall. Insbesondere das Stern Auditorium ist für seine unvergleichliche Akustik bekannt, die seit der Eröffnung des Saals als legendär gilt und von Musikern weltweit geschätzt wird.

Historische Ereignisse

Im Laufe ihrer Geschichte war die Carnegie Hall Schauplatz unzähliger unvergesslicher Konzerte und Veranstaltungen:

1938
Benny Goodmans legendäres Jazzkonzert „The Famous Carnegie Hall Concert 1938“, das den Jazz in etablierte Konzertsäle brachte.

1950
Mahalia Jackson gab ihr Debüt in der Carnegie Hall am 1. Oktober 1950. Dieses Konzert war von großer Bedeutung, da sie die erste Gospelsängerin war, die in der renommierten Carnegie Hall auftrat. Joe Bostic produzierte das „Negro Gospel and Religious Music Festival”, in dessen Rahmen Jacksons bahnbrechender Auftritt stattfand. Dies öffnete die Türen klassischer Konzertsäle für Gospelmusik und trug maßgeblich dazu bei, das Genre einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Nach ihrem Debüt trat Mahalia Jackson noch acht weitere Male in der Carnegie Hall auf, was ihre anhaltende Popularität und ihren Einfluss unterstreicht.

1960er Jahre
Die Carnegie Hall stand kurz vor dem Abriss, da sie Verluste machte und an ihrer Stelle ein 44-stöckiges Geschäftsgebäude entstehen sollte. Dank des engagierten Einsatzes unter anderem des berühmten Geigers Isaac Stern konnte die Halle gerettet werden. Die Stadt New York kaufte das Gebäude, um es zu erhalten, und 1962 wurde es zum National Historic Landmark erklärt.

In den folgenden Jahrzehnten traten dort zahlreiche weltberühmte Künstler und Ensembles aller Genres auf, darunter Leonard Bernstein, Sviatoslav Richter, Joan Sutherland, Marilyn Horne, Judy Garland, Bob Dylan, Johnny Cash, die Beatles (1964), Ike & Tina Turner, die Beach Boys und viele andere Größen der klassischen Musik, des Jazz, Rock und Pop. Neben Konzerten fanden in der Carnegie Hall auch wichtige Vorträge statt, darunter diejenigen von Booker T. Washington und Mark Twains letzter öffentlicher Vortrag (beide 1906).

Carnegie Hall heute

Trotz vieler Herausforderungen hat sich die Carnegie Hall zu einer der bedeutendsten Konzerthallen der Welt entwickelt. Sie wird ständig renoviert und modernisiert, um ihren Status als erstklassiger Veranstaltungsort zu erhalten. Sie ist nach wie vor ein pulsierendes Zentrum der New Yorker Kulturszene und bietet ein breites Spektrum an Aufführungen, Bildungsprogrammen (über das Weill Music Institute) und Ausstellungen in ihrem Rose Museum. Viele Künstler träumen davon, in der Carnegie Hall aufzutreten, was die anhaltende Bedeutung und den Ruhm dieses historischen Gebäudes unterstreicht.

Mahalia Jackson in der Carnegie Hall

Das legendäre Debüt am 1. Oktober 1950

Am 1. Oktober 1950 betrat Mahalia Jackson zum ersten Mal die Bühne der ehrwürdigen Carnegie Hall. Sie wurde von Joe Bostic, dem bekannten schwarzen Promoter, Discjockey und TV-Sportmoderator aus New York, eingeladen und vorgestellt, der die Veranstaltung als „erstes jährliches Negro Gospel Music Festival” ankündigte.

Anfängliche Skepsis und Lampenfieber
Mahalia zögerte zunächst. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Lieder nicht „hochkarätig genug” für einen Saal waren, den sie mit Operngrößen wie Caruso, Marian Anderson und Roland Hayes verband. Sie bezeichnete Bostic als „Idioten”, weil er sie eingeladen hatte, und litt unter extremem Lampenfieber. Mahalia war normalerweise nicht besonders nervös, aber hier war sie sich der enormen Bedeutung des Anlasses bewusst. Auf dem Weg von Chicago nach New York musste sie sich übergeben und befürchtete, keinen Ton singen zu können. Auch ihre Pianistin, Mildred Falls, war vor Angst krank.

Ein beispielloser Ansturm
Trotz Mahalias anfänglicher Bedenken war das Konzert ein überwältigender Erfolg. Obwohl die Carnegie Hall weniger als 3.000 Plätze hat, war das Konzert mit schätzungsweise 3.000 bis 8.000 Zuhörern überfüllt. Hunderte von Fans, die mit Bussen aus verschiedenen Bundesstaaten angereist waren, mussten abgewiesen werden. Der Saal war so voll, dass 300 Klappstühle auf der Bühne aufgestellt werden mussten, um die Menschenmassen unterzubringen.

Eine Umgestaltung der Halle
Mahalia, elegant gekleidet in einer schwarzen Samt-Chorrobe, gab eine unvergessliche Darbietung. Das Publikum weinte, tanzte in den Gängen und stampfte mit den Füßen – ein ungewöhnliches Spektakel für die Carnegie Hall. Mahalia musste das Publikum sogar ermahnen, sich zu beruhigen, sonst würden sie hinausgeworfen werden. Ihr Auftritt verwandelte den Nachmittag in eine ekstatische Erweckungsversammlung. Sie sang Klassiker wie „I've Heard of a City Called Heaven“, „It Pays to Serve Jesus“ und „Amazing Grace“, begleitet von Mildred Falls am Klavier und Louise Overall Weaver an der Hammondorgel. Auch andere renommierte Gospelkünstler wie die Ward Singers und die Landfordaires traten auf.

Begeisterte Kritiken
Das Konzert wurde als Mahalias „Debüt in New York“ und als „Durchbruch im Gospelbereich“ gefeiert. Die Kritiker waren voll des Lobes. Nora Holt von der New York Amsterdam News lobte die „quälende Ekstase“ ihres Gesangs und bezeichnete sie als „unverdorbenes Genie“. John Hammond vom Daily Compass lobte ihre „enorme Kraft, Bandbreite und Flexibilität“. Diese positiven Kritiken festigten ihren Ruf als „Königin der Gospelsängerinnen“ weit über die Grenzen der Kirche hinaus.

Anhaltender Triumph

Mahalias Erfolg in der Carnegie Hall war keine Eintagsfliege. Ihre nachfolgenden Auftritte, die alle ausverkauft waren, festigten ihren Status und brachen Rekorde.

Zweites Konzert, Oktober 1951
Auch ihr zweites Konzert war komplett ausverkauft, und wieder standen Hunderte von Fans vergeblich Schlange. Mahalia übertraf in dieser Halle sogar die Zuschauerzahlen von Legenden wie Benny Goodman und Arturo Toscanini.

Music Inn Roundtable
Ihr wachsender Einfluss führte auch zu Einladungen zu intellektuellen Diskussionsrunden. Im Herbst 1951 nahm sie an der Diskussionsrunde „Definitions in Jazz” im Music Inn in Lenox, Massachusetts, teil, wo sie über die Wurzeln des Jazz in schwarzen religiösen Liedern sprach und Konzepte wie „blaue Tonalität” und den „Negro Folk Cry” diskutierte. Marshall Stearns bewunderte ihre Fähigkeit, „atemberaubende Verzierungen” hinzuzufügen, obwohl sie „jede Regel des Konzertsingens bricht ... aber das Gefühl und der Ausdruck ihrer vollen Stimme sind seraphisch”.

Drittes Konzert, Oktober 1953, und der Vertrag mit Columbia
Ihr Konzert im Oktober 1953 war entscheidend für ihre weitere Karriere. Mitch Miller und John Hammond von Columbia Records besuchten die Aufführung, was kurz darauf zu ihrem bahnbrechenden Plattenvertrag mit Columbia Records führte. Dieser Vertrag öffnete ihr die Türen zu nationalen Radio- und Fernsehauftritten und katapultierte sie in den Mainstream. Ein weiteres bemerkenswertes Detail dieses Besuchs war, dass Mahalia zum ersten Mal in einem Hotel für Weiße in Midtown, dem Wellington Hotel, übernachtete – ein kleiner, aber bedeutender Schritt in Richtung Rassengleichheit.

Bleibendes Vermächtnis

Mahalia Jackson trat sechs Mal in der Carnegie Hall auf, und jedes Konzert war ausverkauft.

Ihre Auftritte waren ein Barometer für ihren immensen Ruhm und bewiesen, dass Gospelmusik ein breiteres, oft weißes Publikum erreichen konnte. Oft verwandelte sie ihre Konzerte in tief emotionale „religiöse Rituale“, indem sie ihren improvisatorischen Stil und ihren „Gospel-Sway“ in klassische Konzertsäle brachte. Obwohl sie sich bewusst war, dass von ihr eine „raffiniertere“ Darbietung erwartet wurde, brach sie bewusst die Regeln des Konzertsingens, indem sie mitten im Wort Luft holte oder gelegentlich Wörter verzerrte, um die Authentizität und Leidenschaft ihrer Musik zu bewahren.

Ihre Auftritte in der Carnegie Hall waren auch ein wichtiger Beitrag zur Bürgerrechtsbewegung. Am 21. Juni 1963 trat sie dort bei einem Konzert zur Unterstützung des Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC) auf, um für die Wählerregistrierung zu werben. Sie sang „In the Upper Room“ und demonstrierte damit ihre unerschütterliche Unterstützung für die Rechte der Afroamerikaner.

Mahalia Jackson wurde in einem Atemzug mit den größten Opernsängern wie Caruso, Marian Anderson und Lily Pons genannt, die ebenfalls in der Carnegie Hall auftraten. Ihre Erfolge in dieser prestigeträchtigen Halle, darunter der Grand Prix du Disque für ihre Apollo-Single „I Can Put My Trust in Jesus” / „Let the Power of the Holy Ghost Fall on Me”, festigten ihren Platz als eine der einflussreichsten Musikerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Konzerte in der Carnegie Hall waren weit mehr als nur musikalische Darbietungen; sie waren kulturelle Meilensteine, die die Gospelmusik für immer veränderten und ihre unbestreitbare Kraft und Schönheit einem weltweiten Publikum näherbrachten.

Rückblick

Mahalia Jacksons triumphale Auftritte in der Carnegie Hall waren weit mehr als nur Konzerte; sie markierten einen Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung und Verbreitung von Gospelmusik.

Legitimität einer musikalischen Form
Vor diesen Konzerten war Gospel vor allem in Kirchen und afroamerikanischen Gemeinden zu finden. Die Carnegie Hall, eine Ikone der Hochkultur und des klassischen Gesangs, verlieh dem Gospel eine beispiellose Legitimität. Mahalias anfängliche Bedenken, dass ihre Musik nicht „hochwertig genug” sei, unterstreichen genau diese etablierten Hierarchien, die sie mit ihrem Erfolg durchbrach. Sie bewies, dass Gospel nicht nur religiöse Hingabe sein kann, sondern auch künstlerische Darbietung auf höchstem Niveau, ohne dabei seinen religiösen Hintergrund zu verlieren. Ohne dies hätte Mahalia Jackson ihre Kunst nicht präsentieren können.

Brücken zwischen zwei Welten
Die Konzerte in der Carnegie Hall fungierten als kulturelle Brücke. Sie brachten eine tief verwurzelte afroamerikanische Musiktradition in einen überwiegend weißen, säkularen Kontext. Die Reaktionen des Publikums – Weinen, Tanzen, Stampfen mit den Füßen – zeigten, dass die emotionale Kraft und spirituelle Tiefe des Gospel universell verstanden und empfunden werden konnte, unabhängig vom kulturellen Hintergrund der Zuhörer. Dies war entscheidend für die Entstigmatisierung und Popularisierung des Gospel über seine ursprüngliche Nische hinaus. Katalysator für Mahalias Karriere

Die Konzerte in der Carnegie Hall waren der Auslöser für Mahalias Aufstieg zum weltweiten Superstar. Die durchweg positiven Kritiken in renommierten Medien wie der New York Times und der Herald Tribune verschafften ihr eine nationale und internationale Reichweite, die durch Auftritte in Kirchen allein unmöglich gewesen wäre. Der Besuch von Mitch Miller und John Hammond von Columbia Records nach dem dritten Konzert führte direkt zu ihrem Plattenvertrag und damit zur Kommerzialisierung und Institutionalisierung ihres Erfolgs.

Ein weiterer Schritt in Richtung Gleichberechtigung
Die Konzerte in der Carnegie Hall symbolisierten auch einen wichtigen Schritt vorwärts in der Bürgerrechtsbewegung. Die Tatsache, dass eine schwarze Künstlerin in einem ehemals ausschließlich weißen und prestigeträchtigen Veranstaltungsort einen solchen Erfolg erzielte, war ein starkes Zeichen für Emanzipation und Potenzial. Ihr Aufenthalt im Wellington Hotel im Jahr 1953, dem ersten in einem weißen Hotel in Midtown, war ein konkretes Beispiel für den Abbau rassistischer Barrieren, der ihren Erfolg möglich machte. Ihre spätere Teilnahme an Bürgerrechtskonzerten in der Carnegie Hall unterstrich ihre bewusste Rolle als Aktivistin.

Stilistische Innovation innerhalb eines klassischen Rahmens
Mahalia Jackson gelang es, ihren authentischen, improvisierten Gospelstil in einen formellen Konzertsaal zu übertragen, ohne dabei seine Seele zu verlieren. Sie brach bewusst mit den Konventionen des klassischen Gesangs (z. B. Atmen mitten im Wort), um die emotionale Intensität zu maximieren. Diese „Regelverstöße” wurden nicht als Mängel wahrgenommen, sondern als Ausdruck von Authentizität und brillanter Musikalität, die die Grenzen dessen erweiterten, was in einem „klassischen” Konzertsaal als akzeptabel galt.

Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Mahalia Jacksons Auftritte in der Carnegie Hall nicht nur ihre persönliche Legende begründeten, sondern auch die Gospelmusik aus ihrer Nische befreiten und sie als kraftvolle und kommerziell erfolgreiche Kunstform etablierten, während sie gleichzeitig einen bedeutenden Beitrag zum Kampf für soziale Gerechtigkeit leisteten. Sie zeigten eindrucksvoll, dass wahre Kunst und menschliche Emotionen alle Grenzen überwinden können.

©Thilo Plaesser